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Gemeinsam Trauern

Autorenbild: Antje PrzyborowskiAntje Przyborowski

Trauer hat oftmals etwas Einsames. Wir ziehen uns zurück, möchten am liebsten niemanden sehen. Nach einer ersten kurzen Zeit der Anteilnahme kommt oft das Gefühl hoch, dass einen doch niemand versteht. Wenn andere Menschen dir ihr „Herzliches Beileid“ aussprechen und du mit „Danke schön“ antwortet. Als wenn du für deine Situation auch noch dankbar sein solltest. Manchmal klingt alles hohl und unpassend. Du möchtest dich am liebsten verkriechen. Niemanden mehr sehen oder hören.


Trotzdem kann es hilfreich sein, deinen Rückzugsort zu verlassen und mit anderen gemeinsam zu trauern und dich zu erinnern. Vielleicht stellst du fest, dass du doch nicht so allein bist, wie du glaubtest. Gemeinsam kann Trauer leichter getragen werden. Gemeinsame Trauer kann Kraft für die nächsten Schritte geben.


Eine gute Möglichkeit dabei ist das gemeinsame Schreiben und Austauschen von Erinnerungen. Wie das funktioniert, findest du im nachfolgenden Beitrag. Die Methode ist auch für die Trauer am Arbeitsplatz geeignet, wenn beispielsweise ein Kollege oder eine Kollegin verstorben sind.



Drei gute Gründe für eine gemeinsame Trauer


Der wichtigste Grund dafür, mit anderen Menschen gemeinsam zu trauern, ist, dass du die Möglichkeit erhältst zu erkennen, dass du nicht allein damit bist. Den Menschen, um den du trauerst, haben auch andere verloren: Freunde, Verwandte, Kollegen. Vielleicht war ihr Verhältnis nicht so innig, vielleicht kannten sie ihn aber auch länger als du. Aus ihrem Leben ist er genauso verschwunden wie aus deinem.


Ein weiterer guter Grund für das Teilen deiner Trauer ist, dass du dich mit anderen Menschen über den Verlust dieser einen Person austauschen kannst. Du kanntest sie. Sie kannten sie. Ihr redet also nicht über irgendjemanden, sondern ein und denselben Menschen, der euch allen etwas bedeutet hat. Du kannst deine Gefühle teilen und die Gefühle der anderen sehen. Du kannst Erinnerungen und Erlebnisse abgleichen und deine Erinnerungen damit bereichern. Das ist wie bei einem bunten Blumenstrauß. Jeder bringt eine Blume mit. Der eine eine gelbe Rose, die nächste eine weiße Margerite, dann noch eine blaue Kornblume, rosa Löwenmaul, ein bisschen Grün. Zusammen ergibt das einen gemischten Strauß mit vielen verschiedenen Farbtönen.


Ein dritter guter Grund ist, dass du die Möglichkeit erhältst zu sehen, dass die anderen, auch wenn sie es vielleicht nicht offen zeigen können, auch trauern. In unserer Trauerspirale kann es uns passieren, dass wir den Eindruck haben, andere Menschen trauern gar nicht so richtig um den Verstorbenen. Vielleicht kommt der Gedanke: „Der müsste doch“ oder „Wie kann sie nur“. Dabei ist Trauer etwas ganz Individuelles. Jeder Mensch trauert auf seine Weise und jede ist in Ordnung.



Eine gemeinsame Trauerstunde


Um deine Trauer mit anderen zu teilen, bietet es sich an, diese zu einer gemeinsamen Trauerstunde einzuladen. Anlass kann zum Beispiel der Geburtstag des Verstorbenen sein oder sein Todestag. Überlege dir, wie du euer Treffen einleiten möchtest. Vielleicht zündet jeder eine Kerze im Gedenken an den Verstorbenen an. Oder ihr trefft euch an seinem Lieblingsplatz oder einem Platz, den ihr mit dem Verstorbenen verbindet.

Wähle dir ein Thema aus, zu dem du dich mit den anderen austauschen möchtest. Möglichkeiten gibt es viele, wie zum Beispiel

  • Wie hast du den Verstorbenen kennengelernt?

  • Was war euer schönstes gemeinsames Erlebnis?

  • Bei welcher Gelegenheit fehlt er dir am meisten?

  • Was erinnert dich an den Verstorbenen?

  • Wie hast du von seinem Tod erfahren?

Vielleicht wählst du ein Thema, was dich selbst am meisten beschäftigt. Du kannst auch im Vorfeld fragen, welche Themen die anderen Teilnehmer beschäftigen.



Schreiben und nicht nur reden


Erinnerungen werden meist erzählt. Ich möchte dich jedoch hier einladen, den Austausch einmal anders zu versuchen, nämlich schriftlich. Das Schreiben hat den Vorteil, dass jeder ohne Einfluss der anderen seine eigenen Gedanken fassen kann. Jeder kann sich für sich an den Verstorbenen erinnern.


Jeder der Anwesenden schreibt zu dem gewählten Thema ca. 10 bis 15 Minuten. Anschließend darf jeder seinen Text vortragen. Die anderen hören zu, ohne zu unterbrechen. Alle Erzählungen stehen ohne Wertung nebeneinander. Jeder hat die Möglichkeit, die Erinnerungen und Gefühle des anderen wahrzunehmen. Nachdem alle ihre Geschichten vorgetragen haben, könnt ihr euch gemeinsam darüber austauschen.


Oftmals zeigen sich neue Einsichten, Dinge, die du bislang noch nicht über den Verstorbenen wusstest. Dein Blick auf den Menschen, den du verloren hat, kann sich erweitern. Den anderen Anwesenden geht es genauso. Ihr erhaltet damit die Möglichkeit, ein besseres Gesamtbild vom Verstorbenen und seinem Leben zu erhalten.



Gemeinsam Trauern am Arbeitsplatz


Trauern am Arbeitsplatz ist meiner Erfahrung nach nicht einfach. Ein Kollege oder eine Kollegin stirbt. Vielleicht war sie vorher lange krank, vielleicht kam der Tod auch überraschend. Aber selbst wenn der Tod vorhersehbar war, ist hat sein Eintritt doch etwas Endgültiges. Der Kollege wird nie mehr zurückkehren.


Stattdessen wird irgendjemand anders seine Tätigkeit übernehmen. Doch selbst wenn die Stelle schnell wieder besetzt wird, ist der neue Kollege anders als der bisherige. Die Besonderheiten der Verstorbenen, ihre Stimme, ihre Art der Arbeit, vielleicht ihr Sinn für Humor sind weg. Regelmäßig bleibt eine Lücke.


Um diese Lücke auszufüllen, kann es hilfreich sein, eine gemeinsame Trauerstunde der Kollegen wie oben beschrieben zu organisieren. Im Gegensatz zu den in diesem Fall üblichen Informationsrunden gibt dann die Möglichkeit, dass sich jeder Einzelne, der teilnehmen möchte, nochmals erinnern kann. Alle Geschichten stehen nebeneinander, egal, in welcher Hierarchiestufe jemand stand. Alle Geschichten sind gleichwertig. Das schafft Gemeinsamkeit, aber auch die Möglichkeit, sich gut vom Verstorbenen zu verabschieden.


Mit einer solchen gemeinsamen Trauerstunde bekommt die Trauer um den Kollegen einen Ort und eine Zeit. Sie darf da sein, hat einen Rahmen, in dem nicht „um den heißen Brei“ geredet wird. Auch ein eventueller Nachfolger hat die Möglichkeit, in dieser Gemeinsamkeit den „Vorgänger“ kennenzulernen. Dies erleichtert ihm gegebenenfalls den Einstieg in seine neuen Aufgaben.



Was hältst du vom gemeinsamen Trauern? Könntest du dir vorstellen, ein solches Treffen zu veranstalten?


Achte auf dich.

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