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AutorenbildAntje Przyborowski

Trauer ist nicht geradlinig

Immer wieder begegnen Trauernden sogenannte Trauermodelle. Darin wird beschrieben, in welchen Phasen Trauer abläuft. So kann leicht der Eindruck entstehen, dass Trauer etwas Geradliniges ist. Doch so einfach ist es in der Realität oft nicht. Nach meiner Erfahrung mäandert Trauer regelmäßig zwischen verschiedenen Zuständen und Phasen. Mal geht es besser und mal schlechter.


Solche Phasen sind oftmals nicht vollständig abgeschlossen. Es braucht manchmal nur einen – für Außenstehende kleinen - Anlass, damit das eine oder andere wieder aufbrechen kann. Da kann es reichen, dass die Liegezeit auf dem Friedhof abgelaufen ist und eine Entscheidung über die Beibehaltung der Grabstätte ansteht, um dich wieder ins Schlingern zu bringen.


Modelle stellen nur einen theoretischen Rahmen dar, nicht mehr und nicht weniger. Sie zeigen die Ergebnisse von Beobachtungen an trauernden Menschen. Doch es gibt keine „Regeltrauer“, die zu absolvieren ist. Vielleicht ist es für dich gut zu wissen, dass es diese verschiedenen Phasen gibt, weil sie dir einen Ausblick geben, dass es irgendwann auch wieder besser sein kann. Aber hinter ihnen steht weder ein Zeitplan noch ein Muss.


Deshalb solltest du dich nicht schlecht fühlen, nur weil deine Trauer anders verläuft als bei deinen Mitmenschen. Vielleicht ist sie kürzer, vielleicht auch länger. Vielleicht quält dich auch nach Jahren die Frage nach dem Warum. Vielleicht gehört für dich aber auch der Tod zum Leben dazu und du findest es zwar schade, dass ein geliebter Mensch nicht mehr körperlich bei dir ist, hast ihn aber anders in dein Leben eingebunden. Nichts davon ist falsch, so lange es für dich passt.





Trauermodelle sind nur Modelle


Wenn du einen geliebten Menschen verloren hast, kann es sein, dass du in deiner Trauer nach Orientierung suchst. Du möchtest vielleicht wissen, ob deine Trauer noch normal ist. Ob du richtig trauerst. Auch Angehörige und Freunde von Menschen, die unter einem schweren Verlust leiden, beschäftigen sich immer wieder mit diesen Themen.


Trauermodelle können hierfür einen Rahmen bieten. Sie gehen davon aus, dass wir, wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben, in bestimmten Phasen auf diesen Verlust reagieren. Den Phasen wird jeweils ein spezifisches Erleben zugeordnet. So gibt es zum Beispiel das Trauermodell von Verena Kast mit dem Nicht-Wahrhaben-Wollen des Verlusts, dem Aufbrechen der Emotionen, dem Suchen und Sich-Trennen sowie einem neuem Selbst- und Wertebezug.


Trauermodelle stellen einen theoretischen Rahmen dar, nicht mehr und nicht weniger. Sie zeigen die Ergebnisse von Beobachtungen an trauernden Menschen. Doch es gibt keine „Regeltrauer“, die zu absolvieren ist. Vielleicht ist es für dich gut zu wissen, dass es diese verschiedenen Phasen gibt, weil sie dir einen Ausblick geben, dass es irgendwann auch wieder besser sein kann. Aber hinter ihnen steht weder ein Zeitplan noch ein Muss.


Die Trauermodelle sind nur Modelle. Sie können dir einen Einblick geben, was Trauer alles umfasst. Sie erwecken jedoch auch den Anschein, dass Trauer so und nicht anders abzulaufen hat. Doch da Trauer immer individuell ist, passen diese Modelle für die wenigsten Menschen. Sie sagen vor allem aber nichts über die Dauer und Intensität der Trauer aus. Genauso wie betriebswirtschaftliche Modelle nicht unbedingt alle Realitäten von Märkten darstellen.



Die Wirklichkeit sieht oft anders aus


Stattdessen sieht die individuelle Trauer oft ganz anders aus. Sie verläuft regelmäßig nicht linear, sondern springt. Phasen, von denen du vielleicht denkst, du hättest sie überwunden, können unverhofft wieder aufbrechen. Oftmals genügt einen kleiner Anlass dafür. Das kann der Geruch des Parfüms der Verstorbenen sein, den du an einem anderen Menschen wahrnimmst. Manchmal reicht es auch, dass im Radio euer Lieblingslied gespielt wird und alles bricht wieder auf.


Gerade wenn du dich mit Trauermodellen beschäftigt hast, kann das die Frage bei dir aufwerfen, ob du falsch trauerst? Ob du etwas übersehen hast? Was nicht mit dir stimmt? Bei allen anderen scheint es ja anders zu laufen. Dann fühlst du dich unverstanden. Dieses Unverständnis kann in alle Richtungen gehen. Vielleicht hast du den Eindruck, eine (wichtige) Phase übersprungen zu haben, denn „so muss“ Trauer ablaufen. Oder du bekommst den Eindruck, in deiner Trauer festzuhängen.


Genauso kann es passieren, dass deine Mitmenschen, die sich mit Trauermodellen beschäftigt haben, zu dem Schluss kommen, dass du falsch trauerst. Dass du dieses oder jenes „ja nun endlich mal abgeschlossen haben solltest“. Oder dass du unbedingt dies und jenes abschließen musst, um in deiner Trauer „voranzukommen“. Sie unterstellen, dass es nur so laufen kann, wie es in dem Modell, mit dem sie sich beschäftigt haben, dargestellt wird.


Aber unabhängig davon, dass es verschiedene Trauermodelle mit verschiedenen Trauerphasen gibt, stellen sie eben nur den Versuch dar, etwas so individuelles wie Trauer zu kategorisieren und damit begreifbar zu machen. Trauer ist ein Gefühl, was uns völlig überwältigen kann. Indem wir es in ein theoretisches – und damit erforsch- und beherrschbares – Modell bringen, erlangen wir die Kontrolle darüber zurück.



Deine Trauer ist deine Trauer


So bleibt auf beiden Seiten – dem Trauernden und den Angehörigen bzw. Freunden – oft nur Hilflosigkeit und Unverständnis zurück. Der Trauernde fühlt sich unverstanden. Die Außenstehenden möchten helfen, um ihre eigene Rat- und Hilflosigkeit ablegen zu können. Beide Seiten möchten gern die Kontrolle über die Situation zurückerlangen, die ihnen dieser erlittene Verlust genommen hat.


Deshalb solltest du die wohlmeinenden Hinweise deiner Mitmenschen bei ihnen lassen, wenn sie dir nicht weiterhelfen. Sie haben in erster Linie etwas mit ihnen und nicht mit dir zu tun. Du kannst nur deinen eigenen Weg finden, mit deinem Verlust zu leben. Deshalb solltest du dich auch nicht schlecht fühlen, nur weil deine Trauer anders verläuft, als sie in Trauermodellen „vorgesehen“ ist oder Außenstehende von dir erwarten.


Ich wünsche dir, dass du dich nicht von diesen vermeintlichen "Normabläufen" oder anderen – oft, aber nicht immer - gutgemeinten Wünschen und Anforderungen Außenstehender an deine Trauer beeinflussen lässt. Selbstverständlich kannst du sie für dich prüfen. Manchmal kann ein Hinweis von außen dich Dinge auch noch einmal neu überdenken lassen. Aber sie sind nicht in Stein gemeißelt als der einzige Weg, den du gehen kannst, denn Trauer ist immer individuell.


Achte auf dich.


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