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  • AutorenbildAntje Przyborowski

Aber beim nächsten Mal ...?

Künstliche Befruchtungen haben etwas von einem Glücksspiel. Es gibt die Chance auf ein Kind, auf den „Hauptgewinn“. Doch genauso gibt es die „Nieten“ – die Negativs, die Fehlgeburten. Gerade zu Beginn der Behandlungen sieht man alles noch rosig: Wir werden es schaffen. Man hält sich an der Schwangerschaftsquote von ca. 30 % fest. Das Ganze mal drei sind 90 %, das klingt schon fast nach einer Garantie. Doch leider ist die Chance auf ein Kind viel, viel geringer.


Wenn sich dann ein Negativ an das andere reiht oder eingetretene Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt enden, werden die teilweise anfangs noch gesetzten Grenzen immer weiter hinausgeschoben. War zunächst vielleicht von drei Versuchen die Rede, gibt es jetzt oft einen nächsten Anlauf und noch einen nächsten. Manchmal wird die Klinik gewechselt oder das Verfahren. Aber es geht weiter und weiter. Wie bei einem Glücksspieler, der nicht aufhören kann, weil ja am Horizont immer der Hauptgewinn winkt.


Doch wann ist es Zeit aufzuhören? Das kannst nur du mit deinem Partner entscheiden. Jeder hat seinen persönlichen Punkt, an dem Schluss ist mit den erfolglosen Behandlungen. Doch du kannst dich auch jetzt schon damit beschäftigen, wie die Zeit danach aussehen könnte. Dadurch gewinnst du eine neue Perspektive, die vielleicht auch ein Stück weit den Druck von dir nehmen kann, dass nur ein Leben mit Kind ein gutes Leben ist.




Die Chance auf ein Kind ist geringer, als viele denken


Es gibt die landläufige Meinung, dass man über künstliche Befruchtung zwar mit entsprechendem Aufwand, aber ansonsten mit gutem Erfolg zu einem Kind kommen kann. Doch die Chancen auf ein Kind auf diesem Weg sind viel geringer, als oft bekannt ist.


So kommt es nur bei 91 % aller künstlichen Befruchtungen überhaupt zum Transfer befruchteter Eizellen. Die Schwangerschaftsrate selbst beträgt nur etwa 30 - 33 %. Auch führt nicht jede dann eingetretene Schwangerschaft zu einem Kind. Tatsächlich liegt die Erfolgsrate, die sogenannte Baby-Take-Home-Rate (Lebendgeburtenrate), nur bei etwa 15 bis 20 % (Die Zahlen schwanken je nach Quelle). Das heißt im Umkehrschluss, dass 80 bis 85 % der Paare pro Versuch ohne Kind bleiben.


Leider bedeuten die Erfolgsraten auch nicht, dass man es nur oft genug probieren muss, damit es klappt. Zwar erhöht jeder neue Versuch die Chancen auf eine Schwangerschaft. Doch auch nach vier Behandlungen stellt sich bei einer von drei Kinderwunschpatientinnen keine Schwangerschaft ein. Außerdem heißt Schwangerschaft ja nicht automatisch, dass du auch ein Kind mit nach Hause nehmen kannst. Denn viele künstliche Befruchtungen enden nach wie vor mit einer Fehlgeburt.


Es gibt Frauen, die gleich beim ersten Versuch schwanger werden und es bleiben. Es gibt aber auch Frauen, die 17 oder mehr Versuche auf sich nehmen, ohne dass sie zum gewünschten Ziel kommen. Natürlich liest man immer mal wieder, dass Paare es nach dem 21. Versuch geschafft haben. Doch auch dafür gibt es keine Garantie.



Die Grenzen werden immer wieder hinausgeschoben


Es gibt Paare, die setzen sich von vornherein Grenzen, wie viele Behandlungszyklen sie machen wollen. Meist orientieren sie sich an dem, was von den Krankenkassen mitfinanziert wird. Waren das früher vier Versuche, so werden heute meist nur noch drei IVF-/ICSI-Versuche zur Hälfe bezuschusst. Da ein ICSI-Versuch ca. 3.000 € kostet, ist schon das für viele Paare finanziell nicht so einfach zu stemmen.


Doch was, wenn du nach diesen drei Versuchen immer noch kein Kind im Arm hast? Viele Frauen beginnen dann, die sich selbst gesetzte Grenze hinauszuschieben. Sie wechseln die Klinik oder das Verfahren. Machen neue Versuche. Denken über Spendersamen oder Eizellspende nach. Gerade das europäische Ausland bietet hier viele Möglichkeiten. Das Ganze natürlich als Selbstzahler. Und schon gibt es den nächsten Versuch. Und noch einen. Und noch einen ...


Die Grenzen lösen sich irgendwann vollständig auf und alles ordnet sich nur noch dem Kinderwunsch unter. Wie bei einem Spieler, der auf den Jackpot hofft. Der Wunsch nach einem leiblichen Kind kann so stark sein, dass nichts anderes mehr zählt. Vor allem, wenn du zwischendurch schwanger warst, diese Schwangerschaft aber nicht gehalten hat. Dann hast du gesehen, dass du grundsätzlich schwanger werden kannst. Da muss es doch irgendwann klappen ....


Für Außenstehende mag das schräg klingen. Doch wer mitten im Kinderwunschzirkus steckt, für den sind diese Gedanken völlig normal. Der Sinn des Lebens ist nur noch auf das Kind ausgerichtet. Und ohne Kind erscheinen das Leben und vor allem die bestehende Beziehung zum Partner als sinnlos. In der Regel sind es die Frauen, die die Behandlungen immer weiter vorantreiben. Das ist verständlich, sind sie es doch, deren Körper malträtiert wird. Und der mit jeder ausbleibenden oder nicht haltenden Schwangerschaft zeigt, dass er nicht so „funktioniert“, wie er sollte.



Gibt es ein Leben danach?

Doch wann ist es Zeit aufzuhören? Nach dem 5. Mal, dem 10. oder erst nach dem 21.? Was heißt denn überhaupt „Aufhören“? Es bedeutet, den Wunsch nach dem leiblichen Kind zu begraben. Endgültig. Und sich mit einem alternativen Lebensentwurf zu beschäftigen. Das tut weh und kann Angst machen. Denn jeder Versuch bedeutet eben auch die Hoffnung, dass es vielleicht doch noch klappt. Dass das Unvermeidliche noch abgewendet, zumindest aber hinausgeschoben werden kann.


Doch je länger du damit wartest, dich mit Alternativen zum eigenen Kind auseinanderzusetzen, desto schwerer kann es werden, einen Schlussstrich unter den Behandlungen zu ziehen. Deshalb empfehle ich, dir wenn möglich bereits im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, woran du feststellen würdest, dass deine Grenze bezüglich der medizinischen Behandlung erreicht ist. Schreibe dir am besten deine Gedanken dazu auf. Damit werden sie klarer, und du kannst später besser darauf zurückgreifen.


Auch kannst du dich fragen, wie dein Leben in fünf Jahren aussehen wird, wenn die Behandlungen erfolglos bleiben. Das klingt vielleicht im ersten Moment hart. Diese Frage kann eine große Leere in dir aufzeigen. Aber sie kann dir auch – nach und nach – Perspektiven aufzeigen, was dein Leben sonst noch ausmachen kann. Sie bietet dir die Möglichkeit zu schauen, welche Dinge dir – über den Kinderwunsch hinaus – noch wichtig sind. Auch die Frage nach der Partnerschaft wird hierbei noch einmal aufgeworfen.


Hilfestellung können dir aber auch die Erfahrungen anderer Frauen und Paare, die ungewollt kinderlos geblieben sind, bieten. Vielleicht findest du diese Menschen in deinem Verwandtenkreis, im nachbarschaftlichen Umfeld oder unter deinen Freunden. Alternativ gibt es auch auf den Kinderwunschseiten im Netz Foren für den Abschied vom Kinderwunsch, in denen du dich über den weiteren Weg austauschen kannst. Ich wünsche dir hierfür alles Gute.


Achte auf dich.

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